Mit
Theater über Grenzen. Ein Experiment.
In
der Inszenierung „Du? Ja!“ der internationalen Frauentheatergruppe des Theaters
H2B stehen 7 Frauen aus
5 Ländern auf der Bühne. Eine Förderung durch die Aktion Mensch und das Kreisdiakonische
Werk-Greifswald e.V. hat dieses Projekt möglich gemacht.
Vieles wird an diesem Abend körperlich dargestellt, dennoch sind alle
Heimatsprachen ständig zu vernehmen, alles wird übersetzt, so dass man dem Stück
gut folgen kann. In einer Länderchoreographie spielen die Darstellerinnen ihren
Weg nach Greifswald nach und in interviewartigen Situationen erfahren wir
einiges über ihre Gedanken zu Themen, die jeden Menschen betreffen: Bist du so
geworden wie deine Mutter? Wolltest du so werden wie deine Mutter?
Denkst du oft an den Tod? Kannst du dich beim Schuhe kaufen entspannen?
Wir
hören u.a. ein russisches Lied und ein (urkomisches!) kurdisches Lautgedicht,
trotzdem bleibt die Inszenierung immer fiktional: Die Frauen (im Alter von 22
bis 57), tragen die Namen von Bühnenfiguren, sind also nie privat auf der Bühne
zu erleben. Dies ist von der Regie klug gewählt, bewahrt es uns als Publikum
doch davor, in die Rolle des Voyeurs zu rutschen, tut aber gleichzeitig dem
authentisch anmutenden Spiel der Darstellerinnen keinen Abbruch.
Die
Inszenierung von Eva-Maria Blumentrath nutzt das Theater an diesem Abend als
einen Ort der Begegnung und führt uns in kurzweiliger und spannender Form eine
einfache, aber in diesen Zeiten enorm wichtige Tatsache vor Augen: Menschen
sind verschieden! Das ist schön, manchmal traurig, oft witzig oder macht wütend,
aber vor allem ist es eine Realität. Dabei könnte schon im Zusammentreffen
mancher Spielerinnen auf der Bühne ein gewisses Konfliktpotential liegen:
Ukrainerin trifft Russin, Russin trifft Syrerin, Syrerin trifft Deutsche und
das alles in Zeiten von AFD und Pegida.
Aber
wie wir an diesem Abend erleben dürfen: Begegnung ist machbar! Ein Theaterstück,
welches mich als Zuschauer solches fühlen lässt, leistet großes - egal, ob das
Spiel der Darstellerinnen in jedem Moment handwerklich perfekt ist. Keine der
Frauen hatte je zuvor auf einer Bühne gestanden, die Probenzeit betrug knappe
drei Monate, Kinderbetreuung war ständig zu organisieren und die Lebensrealität
stand sowieso ständig im Raum: Eine der Frauen kämpfte während der Proben gegen
ihre Ausweisung, eine andere erfuhr am Tag der Premiere, dass eine Freundin bei
einem Bombenangriff ums Leben gekommen ist (was von einer anderen Darstellerin
spontan durch eine symbolische Geste in die Premiere
eingebaut
wurde).
Plötzlich
rücken in einem solchen Moment Konflikte, die in anderen Ländern toben, ganz
ungemütlich nah an uns heran. Und wir dürfen auf der Bühne sieben verschiedene
Frauen erleben, die uns viel zu sagen und zu zeigen haben. Ein unbedingt sehenswerter
Theaterabend!
23.01.2018 krishan
Die Stecknadel fiel nicht – aber wir
hätten sie gehört
In
Minuten schnelle war der RubenowSaal bis auf die letzte Treppenstufe besetzt.
Das Licht erlosch – angenehme Musik – das Experiment begann.
Am
Dienstag, den 23.01.2018 erlebten rund 100 interessierte Menschen im Theater
Vorpommern die Premiere „Du? Ja!“ . Die internationale Frauentheatergruppe des
Theaters H2B, zusammengesetzt aus 7 Frauen aus 5 Ländern, präsentierte auf sehr
eindringliche Weise und mit unterschiedlichsten Stilmitteln, Wege nach
Greifswald, Fragen, die sie sich selbst oder untereinander auf diesem Weg
stellten und jene Antworten dieser Weg vielleicht schuldig blieb. Das
Theaterstück, gefördert durch u.a. die Aktion Mensch und das Kreisdiakonische
Werk-Greifswald e.V. be- und verzauberte, erheiterte, erklärte, nahm mit und
irritierte gleichermaßen.
Eva-Maria
Blumentrath inszeniert mit sieben Frauen aus 5 Nationen ein Theater im Theater und
erfüllt die Bühne mit Begegnungen, wie sie für manche von uns bereits
selbstverständlich und natürlich, für andere immer noch befremdlich sind. Dabei
sind es nicht nur die verschiedenen Sprachen (arabisch, kurdisch, deutsch,
russisch), sondern auch die vielen Fragen, die deutlich machen, wie verschieden
und wie ähnlich wir Menschen uns doch mitunter sind.
Auf
künstlerische, traurige, heitere und gestenreiche Art, erkennen wir uns im
Publikum in der Traurigkeit, dem Witz und der Wut wieder. Vor allem aber
erkennen wir, die bittersüßen Realitäten, um die diese Inszenierung kunstvoll als
Gedicht, als Lied und Ja-Nein-Vielleicht-Spiel gesponnen wurde. 7 Frauen zeigen
mit viel Herzblut, dass es bei allen Schwierigkeiten, Ressentiments und
Konflikten, in Zeiten von HateSpeach, Populismus und Besorgten Bürgern, nicht
unbedingt eine Sprache braucht, sondern die Begegnung und den Willen dazu, sich
auf diese Begegnung einzulassen und das alles mit solch einer Intensität, dass
man hätte die Stecknadel im Rubenowsaal fallen hören. So gefesselt hat diese
einstündige Perfomance „Du? Ja!“.
Drei
Vorstellungen gibt es noch am: 31.01., 20.02. und am 29.03.2018 jeweils 20 Uhr
im Rubenowsaal, Theater Vorpommern. Mehr als nur empfehlenswert – unbedingt ansehen!
25.01.2018
BiSch