Von der Menschenwürde der Asylsuchenden...

...und vom deutschen Standard

Es ist (mal wieder) an der Zeit, auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.12 hinzuweisen.

Die OZ berichtet heute in einem Bezahlartikel über die berechtigte Kritik von ehrenamtlich Tätigen an den Strukturen des Landkreises und der Unterbringung von Asylsuchenden. Dort heißt es: "Kein Wasser, kein Strom, keine Heizung. Laura-Ann Schröder, die sich seit Wochen in Greifswald freiwillig und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert, war angesichts dieser Zustände in zwei Wohnungen für neu angekommene Flüchtlinge schockiert. Schon öfter habe sie die Arbeit der Behörden als kritikwürdig empfunden."

Weiter ist von schlechten Strukturen, fehlendem Personal und der Problematik mit dem Integrationsbeauftragten des Kreises die Rede.

Die Kritik am Zustand der oben beschriebenen Wohnungen weist die Kreisverwaltung laut OZ "energisch" zurück. So heißt es von dort, "die Wohnungen [seien] zuvor abgenommen und als zumutbar eingestuft" worden. Weiter wörtlich: "Aber sie [die Wohnungen] sind ganz sicher menschenwürdig, auch wenn sie nicht mit deutschem Standard vergleichbar sind."

Hier wird es, um es vorsichtig auszudrücken, problematisch. Denn genau diese Relativierung bzw. Schlechterstellung von Asylsuchenden lässt das Bundesvefassungsgericht nicht zu. Denn auch Asylsuchenden steht das Grundrecht auf ein menschwürdiges Existenzminimum zu. Im oben zitierten Urteil heißt es: "Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu." Und weiter (Rdnr. 120): "Ausländische Staatsangehörige verlieren den Geltungsanspruch als soziale Individuen nicht dadurch, dass sie ihre Heimat verlassen und sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf Dauer aufhalten (...). Die einheitlich zu verstehende menschenwürdige Existenz muss daher ab Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland realisiert werden."

Wenn der Kreis sagt, die Wohnungen seien menschwürdig, aber nicht deutschem Standard entsprechend, dann ist das die Relativierung, die das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht verbietet. Denn genau genommen heißt das, was der Kreis sagt, nichts anderes als "für die reicht es". Jede/r hätte sicher Verständnis, wenn die Verantwortlichen des Kreises bei der Kurzfristigkeit der Zuweisungen von Asylsuchenden Unzulänglichkeiten zugeben würden. Dann wäre zumindest deutlich, dass sie an einer Verbesserung arbeiten würden. So aber bleibt die Sprache verräterisch und offenbart einen zumindest fahrlässigen Umgang mit den Grundrechten der Asylsuchenden. Noch einmal das Bundesverfassungsgericht (Rdnr. 89): "Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen."