Sich immer weiter öffnende Schere der Ungleichheit
Die FR
berichtet:
Die globale Wirtschaftsleistung wächst, die Welt ist so reich wie nie
zuvor. Gleichzeitig verteilen sich die Erträge der Produktion zunehmend
ungleich. Während die Ungleichheit zwischen den einzelnen Ländern vor
allem dank des Aufschwungs in Asien abgenommen hat, geht die Schere
innerhalb fast aller Länder immer weiter auseinander – in Deutschland
ist sie mittlerweile wieder so groß wie vor 100 Jahren. Das ist das
Ergebnis des ersten Berichts zur weltweiten Ungleichheit. „Hauptursache
der ökonomischen Ungleichheit ist die ungleiche Verteilung von Kapital“,
erklären die Autoren und warnen: Steuert die Politik nicht gegen,
wächst die Kluft immer weiter. [...] [A]uch in Europa brachten die Achtzigerjahre „das Ende eines egalitären
Nachkriegsregimes“, schreiben die Wissenschaftler. Die Zunahme der
Ungleichheit war vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Reichsten
überproportional vom Wirtschaftswachstum profitierten. Zwar verzeichnete
die untere Hälfte der Einkommensbezieher seit 1980 einen Zuwachs von
zwölf Prozent. Das oberste Prozent jedoch erhielt mit 27 Prozent mehr
als doppelt so viel. Der Anteil dieser Gruppe am Gesamteinkommen legte
von 16 auf 20 Prozent zu. Der Anteil der unteren Hälfte dagegen hat sich
bei nur neun Prozent eingependelt. [...]
Im Kapitel über Deutschland zeichnet die Ökonomin Charlotte Bartels
die Entwicklung seit 1873 nach. Vom Wirtschaftsboom Ende des 19.
Jahrhundert profitierten vor allem die Wohlhabenden. In der Weimarer
Republik drückten dann Steuererhöhungen, starke Gewerkschaften und
Wirtschaftskrise das Einkommen der reichsten zehn Prozent. Ab 1933 ging
es für die Reichsten jedoch wieder bergauf, was „im deutlichen Gegensatz
zur ursprünglichen Anti-Big-Business-Rhetorik der Nazi-Partei steht“,
so Bartels.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Einkommensanteil der
Großverdiener hierzulande hoch, höher als in Ländern wie Frankreich,
Großbritannien oder den USA. Dennoch konnte die ärmere Hälfte der
Bevölkerung im Wirtschaftswunder ihre Position ausbauen. Auch die
Wiedervereinigung sorgte für einen stärkeren Ausgleich. Eine Wende kam
dann allerdings mit dem neuen Jahrtausend, der Einkommensanteil der
ärmeren Hälfte der Bevölkerung schrumpfte von 22 Prozent auf 17 Prozent
im Gleichschritt mit dem Ausbau des Niedriglohnsektors. Der Anteil der
reichsten zehn Prozent wiederum liegt heute mit 40 Prozent wieder so
hoch wie vor dem Ersten Weltkrieg.
Insgesamt, so Bartels, gehörten zwar vermehrt auch gut ausgebildete
Ingenieure, Ärzte und Rechtsanwälte zu den Bestverdienern in
Deutschland. „Die Top-Einkommen jedoch gehören exklusiv den Eigentümern
der Unternehmen." [...]
Durch Senkung von Spitzensteuersätzen, Privatisierungen, Entlastung von
Investoren und die Schwächung von Gewerkschaften haben Regierungen in
den vergangenen Jahren den Zuwachs der Ungleichheit befördert. Folgt die
Politik diesem Weg weiter, so wird die Ungleichheit immer weiter
zulegen, warnen die Autoren. Das Vermögen der reichsten 0,1 Prozent
werde dann 2050 so groß sein wie das der gesamten globalen
Mittelschicht. [...]
Von der in den USA geplanten Steuerreform werden vor allem die reichsten
Amerikaner profitieren, ihre Steuerbelastung sinkt auf den tiefsten
Stand seit den Zwanzigerjahren. Und von den Steuerreformen von
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werden die reichsten zehn Prozent
der Franzosen die Hälfte der Entlastung einstreichen, was die
Ungleichheit weiter steigen lassen wird.
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