Ein Gastbeitrag von B. Echrecher. Vielen Dank dafür.
In der güldenen Mitte des Jahres, ging
er um und verstopfte unzählige Briefkästen: der Mikrozensus,
Menschen älteren Semesters noch als Volkszählung bekannt. Ich gebe
zu, daß das Ausfüllen lästig ist. Es reicht nicht, sich gegenüber
den Lebensunterhalt sichernden Behörden und Ämtern nackt zu machen. Der Wahrheitsgehalt einer solchen Erhebung, zweifelhaft.
Zumindest kenne ich keinen, der dieses investigative Druckwerk
tatsächlich besten Wissens und Gewissens ausfüllt. Lieblingsantwort: „Keine
Angabe“. Was ist eine Erhebung wert, deren Angaben im
Zweifel nach dem Prinzip „Ippchen, Dippchen, Silberklippchen“
beantwortet werden? An mir ging der Kelch in diesem Jahr vorüber.
Dachte ich. Ich durfte bereits letztes Jahr kostbare Lebenszeit mit
diesem Mahnmal sterbender Bäume verschwenden.
Gerne schwelge ich in alten Zeiten.
Damals in den 1980er Jahren, in denen wir uns in der Kommune
gegenseitig mit weltbesten Anti-Volkszählungsplakaten zu
übertrumphen versuchten. Kreative Warnschilder mit selbstgemalten Bildern und
Aufschriften: „Unser Yorkie frißt Volkszähler zum Frühstück.“
oder „In diesem Haus verirrten sich bereits 5 6 7
8 Volkszähler.“ oder „Glaub uns einfach: 12 Große, 4 Kleine, 8 Hunde, 24 Katzen, 2 Hamster, 12 Ratten, 7
Meerschweinchen, fünf Dutzend Spinnen, hunderte Milben, tausende
Frucht- und Schmeißfliegen, wir haben die Kreuzfeldfüllenwirnicht-Krankheit, 7 Kasten Bier
und 3 Flaschen Pfeffi.“
In der Tat haben wir in unserem Haus
nie einen Volkszähler gesehen.
Heute erhielt ich Post. Ein gelber
Umschlag mit der Aufschrift „Förmliche Zustellung“.

Auf der zweiten Seite relativiert sich
der Inhalt der ersten Seite. Wird der Mikrozensus fristgerecht
nachgereicht, „...würde das Zwangsgeldverfahren eingestellt
werden.“
Ich stelle mir vor, Menschen jenseits der 70
erhalten ein solches Schreiben. Sie hätten diese zweite Seite wohl
gar nicht mehr gelesen, sondern vor Schreck eine Herzattacke
oder schlimmeres erlitten.
In den letzten Jahren
legte ich mir im Lesen von Behördenpost eine gewisse Routine zu. Die erste Seite mußte ich dennoch mehrmals lesen, um zu
verstehen und fühlte mich maßlos überfordert, von den vielen
Zahlen, Paragraphenzeichen und der ausgesprochen anmaßenden und
bedrohlichen Wortwahl.
Eine vorangegangene Zustellung gab es
nicht. Gerade weil ich selbst sehr viel Post von unterschiedlichen
Behörden erhalte und ehrenamtlich Senioren beim Ausfüllprozeß
anleite und begleite, nehme ich solche Bescheide sehr genau.
Daß gegenüber Teilnehmern einer
statistischen Befragung, die zudem zufällig ausgewählt werden,
eine derartige Drohkulisse aufgebaut wird, macht mich faßungslos.
Ich betrachte dies, gelinde ausgedrückt, als Schweinerei.
Selbstverständlich waren weder die Verfasserin des Briefes, noch die
ihr vorgesetzte Bearbeiterin zu sprechen. So habe ich meinem Protest
schriftlich Ausdruck verliehen und werde diesen Artikel weiter in
verschiedenen Medien platzieren. Aber zunächst zu meinen Herztropfen.
Mikrozensus kann tödlich sein.