Gründe für eine Kündigung des Abonnements I

So langsam ist die morgendliche Lektüre kein Spaß mehr. Bis jetzt habe ich in den vier Minuten, die ich für unseren lokalen Schweinepreisanzeiger brauche, viel lachen können.

Heute beginne ich mit einer Sammlung von Gründen, das Abonnement zu kündigen.

Der erste ist die überragende Intelligenzleistung des "Guten Tag, liebe Leser!", die, zugegebenermaßen, meine intellektuellen Kapazitäten sprengt. Eine junge, aufgeweckte Redaktionsmitarbeiterin mokiert sich, in Anlehnung an den ihren Kollegen Hochleistungsjournalisten, der die Existenz von weiblichen Studierenden in seiner Schreibe ständig unterschlägt, über die Bemühungen der Universität Greifswald, auch Frauen als Studierende zu berücksichtigen und zu benennen. In ihrem hochintelligenten Beitrag schrieb sie u. a.:
An der Universität Greifswald hat sich die Linie durchgesetzt, in offiziellen Schriftstücken „Studierende“ zu sagen.
Dazu ist zu sagen, dass die Schreiberin so herausragend intelligent ist, dass sie sich über den Fakten schweben zu dürfen erlaubt. Als gutes Presseorgan ist die OZ natürlich - durchaus im Sinne ihrer Leser (ohne weibliche Lesende, laut Überschrift der Kolumne) - im postfaktischen Zeiten angekommen und schert sich nicht mehr um Tatsachen, die ja schließlich die Rest- zur Lügenpresse machen. Die Kleinigkeit, dass es eine Verwaltungsvorschrift über den Sprachgebrauch im öffentlichen Dienst des Landes gibt, derzufolge beim offiziellen Schreiben die weibliche Hälfte der Menschheit nicht unterschlagen werden darf, braucht die Hochintelligenz natürlich nicht zu interessieren, sie kann das, recherchefrei, auf die Universität Greifswald beschränken. Um der Intelligenz die Recherche abzunehmen: Hier sind die Anweisungen gebündelt, die der öffentliche Dienst, und damit auch die Universität Greifswald, im offiziellen Sprachgebrauch zu berücksichtigen hat.

Aber ich sehe ein: Wer eine gerechte Bemühung lächerlich machen will, kümmert sich nicht um schnöde Fakten, das ist ja so was von langweilig und unemotional, mit einem Wort: uncool. Damit kann man keine Zeitung wie die OZ machen.

Im selben Beitrag macht sich die hochintellektuelle Redakteurin dann über Minderheiten her, um sie ebenfalls zumindest lächerlich zu machen, wenn nicht gar für nicht existent zu erklären. An einer Hochschule in Berlin hat sie Toiletten entdeckt, die weder mit einem männlichen noch einem weiblichen Symbol versehen sind (ach, jetzt schon? ist man geneigt zu fragen).
Damit nicht Studenten, die transsexuell oder intersexuell sind und sich darum weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, in Verlegenheit kommen.
Richtig! Die sollen sich mal nicht so anstellen. Minderheitenrechte (und Zeichensetzung) sind quatsch, alles, was nicht so ist wie ich (bzw. so, wie ich mich mir vorstelle oder erwünsche), ist sowieso doof und kann der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Außerdem betrifft es ja sowieso nur, wie der Verfasser der heutigen Kolumne schreibt, "Studenten", also männliche Studierende. Frauen wie der Verfasser machen so einen Blödsinn nicht.

Es ist gut, dass wir eine "Unabhängige für Mecklenburg-Vorpommern" haben - unabhängig von Fakten, von Moral, von Anstand. Es stimmt ja: Die Politik der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hat sich so sehr um Randgruppen gekümmert, dass die alten, weißen, fetten Männer in Vergessenheit geraten sind. Und die gehen jetzt alle Trumpeltiere wählen, im Gegensatz zur Generation "Gebeugter Nacken", die nur auf ihren Smartphonescreen starrt und, wie in Großbritannien und den USA, zu spät hochguckt. Das ist die Moderne, die Gegenwart, die Zielgruppe des heutigen "Guten Tag, liebe Leser!", der zuzugehören ich bedauerlicherweise niemals schaffen werde, die zu erreichen sich unsere Lokalzeitung jedoch stets bemüht.

Wie gut, dass wir junge, aufgeweckte Redakteure wie den Verfasser des heutigen "Guten Tag, liebe Leser!" haben - wo kämen wir sonst hin? Es ist auch gut, dass, um jedwedes Anecken zu vermeiden, die Überschrift nur in Großbuchstaben und ohne Anhauch von Zeichensetzung (wenn man den Zeilenwechsel nicht dafür nehmen will) heißt:

GUTEN TAG
LIEBE LESER

Und alles im Namen der - ja was? Jawohl: - ELEGANZ.

Damit habe ich den Kaffee für heute schon auf.


Kommentare

  1. Hätte man nur die Stimmen der "alten, weißen, fetten Frauen" gezählt, wäre Donald Trump übrigens auch Präsident geworden ...

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