Gewissenhaft



Liebe Bürgerinnen und Bürger Greifswalds,
was wir in den letzten Tagen in sämtlichen sozialen Netzwerken lesen mussten, erschreckt uns sehr. Am 18. Januar sprach sich der akademische Senat der Universität Greifswald für die Streichung des Patronats "Ernst Moritz Arndt" aus. Vorangegangen waren etliche Debatten zu diesem Thema. Oft zitiert wird die Urabstimmung im Jahr 2010. Damals wurde gefragt, ob die Universität den Namen Ernst Moritz Arndt ablegen und nur noch Universität Greifswald heißen solle. Von damals circa 12.300 Studierenden nahmen 2614 an der Abstimmung teil, was einer Beteiligung von rund 23 Prozent entspricht; 1216 Studierende antworteten mit ja, 1398 mit nein.
Inzwischen sind sieben Jahre vergangen und die Studierendenschaft hat sich gewandelt. Immer wieder wurde über die Bedeutung eines Patronates diskutiert. Hierbei ging es vordergründig gar nicht um die Person des deutschen Schriftstellers und Historikers, sondern um die Notwendigkeit eines Namenspatrons an sich. Ist es zeitgemäß, dass eine Hochschule im 21. Jahrhundert einen Beinamen trägt, der ihr 1933 gegeben wurde? Zu keinem Zeitpunkt ging es bei der Namensdebatte darum, das Werk Arndts klein zureden. Dies wird auch in der Begründung der studentischen Senator*innen deutlich: "Des Weiteren wird uns stets auch eine "damnatio memoriae" vorgeworfen, also das wir Arndt und sein Werk aus der Geschichte tilgen wollen. Das möchten und das können wir auch gar nicht. Die Errungenschaften Arndts sollen mit der Namensänderung in keinem Falle geschmälert werden. Arndt wird auch weiterhin und auf ewig mit der Universität verbunden bleiben und hoffentlich in der Zukunft noch mehr im wissenschaftlichen Diskurs fortleben."
Am 18. Januar wurde schließlich über die Ablegung des Patronats abgestimmt. 24 Senatsmitglieder sprachen sich für die Ablegung aus, 11 Mitglieder dagegen, eine Person enthielt sich. Die erforderte Zweidrittelmehrheit wurde somit erreicht. Was wenige Stunden später auf Plattformen wie Facebook passierte, stößt bei uns auf Ungläubigkeit und Unverständnis. Insbesondere die studentischen Senator*innen wurden und werden dort persönlich angegriffen und verurteilt. Es würde sich um "Zecken", "Phantomstudenten" und "rote Rotzgören" handeln. Ein Kommentar lautet: "Merkt Euch die Namen...!"
Wir, die Mitglieder des Allgemeinen Studierendenausschusses, kennen die Senator*innen gut und können bezeugen, dass sie mit dieser Thematik immer gewissenhaft und offen umgegangen sind. Nichts liegt ihnen ferner als die Stadt Greifswald und der Universität zu schaden. Es handelt sich um engagierte Studierende, die teilweise schon über mehrere Jahre ihr Bestes für unsere Hochschule gegeben haben. Das ihnen ihre Beteiligung nun so falsch ausgelegt wird, verurteilen wir zutiefst. Wir stehen hinter den Senator*innen und hoffen auf ein versöhnliches Ende der mittlerweile leider unsachlich gewordenen Debatte.
Ein Punkt der uns in diesem Zusammenhang sehr erschreckt ist die Haltung einiger Greifswalder Mitbürgerinnen und Mitbürger die Studierenden jegliches Mitspracherecht in kommunalen Angelegenheiten absprechen. Es darf aus unserer Sicht keine Rolle spielen, wo jemand geboren wurde und wie lange er oder sie in der Stadt lebt. Wir alle sind Bürgerinnen und Bürger Greifswalds und leben hier weil wir diese Stadt lieben. Gerade aus Studierende prägen wir das Stadtbild, sorgen für Zuzug und bereichern die kulturelle Landschaft. Wir wollen, wo es möglich ist, den Dialog mit der städtischen Bevölkerung und arbeiten schon länger intensiv mit Akteuren, Vereinen und Initiativen außerhalb des Campus zusammen. Wir würden uns wünschen, dass diese gefühlte Distanz zwischen einheimischer Stadtbevölkerung und zugezogenen Studierenden irgendwann aufbricht und es keine Vorbehalte gegenüber einander gäbe. Lassen sie uns gemeinsam daran arbeiten Verständnis füreinander aufzubringen und in einem angemessenen Ton über die Belange der Stadt sprechen. Wir sind uns sicher, das wir in anderen Fragen und Problemen, beispielsweise bei der Forderung nach mehr sozialen Wohnraum, wieder Seite an Seite stehen.
Wir verstehen ihren Unmut und ihr Unverständnis über die Anlegung des Namenspatrons. Wir verstehen auch die Argumente die für eine Beibehaltung gesprochen hätten. Bitte verstehen sie auch die Senatorinnen und Senatoren, und das es uns beunruhigt mit welcher Aggression diese Kommilitonen den sozialen Netzwerken angegriffen werden. Lassen sie uns angemessen miteinander diskutieren und zukünftig wieder Seite an Seite für die Belange der gesamten Greifswalder Bevölkerung, egal ob zugezogen oder einheimisch, kämpfen.

Ihr Allgemeiner Studierendenausschuss Greifswald
Greifswald,den 24.01.2017

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