Brief der Rektorin an die Bürgerschaft


25.01.2017
Sehr geehrte Frau Präsidentin der Bürgerschaft, liebe Frau Socher,

als Rektorin dieser Universität habe ich Verständnis dafür, dass sich die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald mit dem Beschluss des Erweiterten Akademischen Senats der Universität auseinandersetzt, fortan den Namen „Universität Greifswald“ zu tragen.
Wir erkennen an, dass insbesondere Personen, die sich durch ihr Studium oder ihre Tätigkeit mit unse-rer Universität eng verbunden fühlen, die Änderung des Namens als einen großen Verlust erleben. Hin-sichtlich der Namensgebung wurden und werden unterschiedliche Positionen vertreten, und wir respek-tieren die unterschiedliche Sicht auf Ernst Moritz Arndt. Wie bei allen strittigen Fragen, die in einer repräsentativen Demokratie von den demokratisch gewählten Gremien zu entscheiden sind, können Beschlüsse jedoch nicht alle Parteien gleichermaßen zufriedenstellen. Der Erweiterte Akademische Senat hat mit der zu Recht hohen Hürde einer Zweidrittel-Mehrheit die Entscheidung getroffen, den Namenszusatz „Ernst-Moritz-Arndt“ abzulegen. Wir bitten die Bürgerschaft, diesen Beschluss des Erwei-terten Senats als eine im Rahmen der Autonomie der Universität getroffene Entscheidung zu respek-tieren, und erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass die Universität Greifswald eine Einrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und nicht eine Einrichtung der Stadt Greifswald ist.
Uns haben in den vergangenen Tagen sehr viele Rückmeldungen zu dem Beschluss erreicht, Ableh-nungen ebenso wie Zustimmungen. In der lokalen Medienöffentlichkeit entsteht aus erklärbaren Grün-den der verzerrte Eindruck von ausschließlicher Ablehnung.
Bei allem Verständnis für die Enttäuschung und auch Trauer über die Namensänderung treten wir je-doch ganz entschieden allen Stellungnahmen entgegen, in denen gezielt Hochschulangehörige und insbesondere Studierende angegriffen werden und ihnen das gesetzlich verbriefte Recht auf Mitbestim-mung in allen die Universität betreffenden Angelegenheiten abgesprochen wird. Eine Universität bildet sich aus der Gemeinschaft aller Gruppen und der Erweiterte Akademische Senat bildet diese Gemein-schaft ab. Ebenso verwahren wir uns entschieden gegen alle Stellungnahmen, die Mitgliedern der Universität, die aus anderen Regionen temporär oder dauerhaft nach Greifswald gekommen sind, ein Mitspracherecht aberkennen.
Wir haben Greifswald bisher als eine weltoffene Stadt erlebt, in der Studierende auch aus anderen Regionen und Bundesländern willkommen sind und schon bei den Immatrikulationsfeiern vom Oberbürgermeister freundlich begrüßt und aufgefordert werden, sich in Greifswald mit ihrem ersten Wohnsitz anzumelden und so zu Greifswalder Bürgern zu werden. Diese studierendenfreundliche Atmosphäre der Stadt trägt neben dem guten Ruf der Universität in Forschung und Lehre wesentlich zur Attraktivität der Universität Greifswald bei den Studierenden bei, von denen drei Viertel aus anderen Bundesländern kommen. Im Übrigen gilt: An allen Universitäten der Bundesrepublik Deutschland sind die meisten Professuren und viele Mitarbeiterstellen mit Personen von außerhalb besetzt. Das hängt damit zusammen, dass nach den gesetzlichen Vorgaben auf Professuren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von außerhalb zu berufen sind und sogenannte Hausberufungen aus guten Gründen die Ausnahme darstellen.
Bei der Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern für frei gewordene Professuren und Mitarbeiterstellen steht die Universität Greifswald in einem harten Wettbewerb mit allen anderen Universitäten.
Bisher konnten wir in diesem Wettbewerb mit einer lebenswerten Stadt punkten, die Neubürger mit offenen Armen empfing.
Angriffe gegen Studierende und andere Universitätsmitglieder aus anderen Regionen sind deshalb ein für die Universitäts- und Hansestadt Greifswald fatales Signal. Sie erwecken den Eindruck, dass Studierende und andere „zugezogene“ Mitglieder der Universität in dieser Stadt nicht länger willkommen sind.
Als ein – in der Wahrnehmung Vieler – peripherer Standort sind wir in besonderem Maße auf den Zuzug von Personen nach Greifswald angewiesen. Ich brauche nicht auf die dramatischen Konsequenzen für die Stadt hinzuweisen, die entstünden, wenn die Studierenden wegblieben und die Universität in ihrem jetzigen Bestand gefährdet wäre.

Wir waren und sind die Universität in der Stadt Greifswald. Das wollen wir auch in Zukunft bleiben.

Mit den besten Grüßen
Prof. Dr. Johanna Eleonore Weber
Rektorin