Immer wenn eine Wahl
wieder einmal nicht so ausgegangen ist, wie wir (i.e. meine
Filterbubble und ich) es gerne gehabt hätten und stattdessen viel zu
viele Menschen für rechte und destruktive Parolen gestimmt haben,
ist die Aufregung groß. Und wir können uns kaum retten vor einer
Fülle kluger Analysen.
Ich will da auch mal
meinen Teil dazu beitragen, Ihr habt richtig befürchtet.
Ich möchte auf
einen Gedanken hinweisen, der mich an vielen Beiträgen stört. So
lesen wir in diesen Tagen häufig wieder davon , daß die
Benachteiligten und Abhängten sich nicht mehr vertreten fühlten von
„der Politik“ oder auch von „den Etablierten“ und deswegen
ihre Hoffnung jetzt in den Populismus bzw. in Populisten setzen
würden. Aktuell gebe es zum Beispiel in den USA einige Staaten des
Mittleren Westens, die lange Zeit stabil demokratisch gewählt
hätten, 2016 aber diesen Rechtspopulisten. Daraus wird dann die
Aussage abgeleitet, der sozial benachteiligte Teil der Gesellschaft
in diesen Gegenden wähle neuerdings rechts, weil sich die Linke
nicht mehr um sie kümmere. Diese Linke sei sehr erfolgreich bei
Themen der gesellschaftlichen Modernisierung, aber vergesse die
„wirklich“ Benachteiligten und Abgehängten.
Gewagt. Manchmal
klingt es tatsächlich so, als seien Minderheiten, die
Diskriminierung ausgesetzt sind, nicht „wirklich“ benachteiligt.
Der Appell an die Linke, sie möge sich doch endlich wieder um die
Benachteiligten kümmern, klingt für mich daher nicht anders als
Leute, die meinen, jetzt müsse aber auch mal wieder gut sein mit der
ganzen Gleichstellung von allem Möglichen, also wie das zum Beispiel
Boris Palmer viel kerniger formulieren kann als ich jetzt.
Aber sind das denn
Benachteiligte und Abgehängte, die das jetzt ihr Kreuz ganz weit
rechts außen machen?
Mitnichten. Der
Blick auf das Wahlverhalten nach Einkommen, soweit es Exit Polls
ausweisen, ist auch im Rahmen der statistisch unvermeidlichen
Unschärfe eindeutig und besagt in den USA nichts anderes als in
Europa: Diejenigen, die Rechtsaußen wählen, sind jedenfalls
materiell nicht arm. Eher sind sie sogar noch ziemlich privilegiert.
Und privilegierte
gesellschaftliche Gruppen, die befürchten müssen, ihre Privilegien
nicht ewig behalten zu können, sind weder benachteiligt noch
gesellschaftlich marginalisiert. Ihre „Sorgen und Ängste“
sollten wir durchaus zur Kenntnis nehmen. Aber daraus Beschlüsse
oder Handlungen ableiten, die zu gesellschaftlicher Diskriminierung
führen, dürfen wir nicht. Aktionen entschuldigen, die Rassismus,
Sexismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
ausdrücken, dürfen wir nicht. Gewalt gegen Ausgegrenzte
verharmlosen oder bagatellisieren dürfen wir nicht.
Wer eine pöbelnde
und bildungsfeindliche, aber materiell gut versorgte Mittelschicht
hofiert, tut für diejenigen, die wirklich benachteiligt sind, sei es
materiell oder in anderer Weise, rein gar nichts.
Und selbst wenn wir
anerkennen, daß es zumindest so etwas wie eine gefühlte
Benachteiligung gibt, bleibt: Keine gesellschaftliche
Marginalisierung, egal ob gefühlt oder real, rechtfertigt
gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, auch nicht die, die mit einem
Kreuz auf dem Stimmzettel ausgeübt wird.
Die These, der
Rechtsruck in vielen Gesellschaften sei eine Bewegung der
Unterprivilegierten und materiell Benachteiligten, ist eine Legende
und ist falsch.
Oft liest sich diese
Form der Analyse sogar so, als würde den materiell Benachteiligten
die Möglichkeit oder die Fähigkeit abgesprochen, ein Mindestmaß an
Anstand oder zivilisatorischen Grundlagen zu wahren. Und das ist doch
Quatsch. Wer gegen andere gesellschaftliche Gruppen hetzt,
Ausgrenzung und Abgrenzung fordert, macht das nicht, weil es ihm
materiell schlecht geht, sondern weil er Hetze und Ausgrenzung haben
will.
Die gefühlte
Marginalisierung, das „Herumopfern“, dient oft dem Ziel, Politik
in erster Linie als Auseinandersetzung zwischen einem „Oben“ und
einem „Unten“ zu beschreiben. Das ist eine sinnlose
Herangehensweise, weil dadurch Inhalt und Ziele von Politik
nachrangig werden. Politik ist jedoch eine Entscheidung zwischen
unterschiedlichen Vorstellungen und Modellen, wie eine Gesellschaft
sich entwickeln soll.
Und linke Politik
heißt dabei eben, für den Ausgleich von Ungleichheit einzutreten,
sei es durch die Verringerung materieller Ungleichheit durch
Umverteilung, sei es durch den Abbau von Barrieren und
Diskriminierung durch eine offene Gesellschaft. Beides zusammen ist
linke Politik. An irgendeiner Stelle auf diesen gesellschaftlichen
Ausgleich zu verzichten ist es nicht. An irgendeiner Stelle eine
einzelne Ungleichheit abzubauen auf Kosten anderer Menschen oder auf
Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen ist es auch nicht.
Und
selbstverständlich ist das dann am Ende anstrengend.
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