Verkrampft

Autoritätskonflikte gibt es immer und überall. In kaum einem Theater hat der Intendant 100 Prozent des Ensembles hinter sich. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch im Theater Vorpommern in der Belegschaft grummelt.

Allerings kommen in Greifswald noch einige Umstände hinzu, die man berücksichtigen sollte, ehe man den an die OZ geschickten Brief der Belegschaft abstempelt mit "gemeckert wird immer und überall".

Noch lange nicht vergessen ist die tabula rasa, die der neue Intendant vor allem im Schauspiel schuf, damit sein "frischer Wind" auf keine Hindernisse stößt. Dazu wurden viele, nämlich fast alle möglichen Verträge von Ensemblemitgliedern nicht verlängert, die das Gesicht des Hauses prägten, die sehr beliebt und im Stadtbild häufig anzutreffen waren. Das geht, wenn es einen Intendantenwechsel gibt, und der "alte" Intendant sein Ensemble mitnimmt. In diesem Falle hat der neue Intendant aber nicht wahr haben wollen, dass es keinen "alten" Intendanten gibt. Auf diese neue Situation folgte eine gewohnte, hier aber unangebrachte Reaktion. Von "frischem Wind" keine Spur.

Das zweite Band zwischen sich, dem Ensemble und dem Publikum löste Löschner, als er dem Publikum klarzumachen versuchte, dass es, fast erstickt durch den Provinzmief, ihn und seine Bemühungen um "frischen Wind", die Neuigkeit und das Revolutionäre seiner Intendanz nicht verstünde. Kopfschüttelnd vernahmen dies weitgereiste und erfahrene Theaterbesuchende und zogen ihre Konsequenzen: Viele gingen einfach nicht mehr hin oder wechselten das "Fach", z. B. zum Orchester des Theaters Vorpommern, dessen Chef deutlich macht, wie man ein Publikum gewinnt. Der "frische Wind" hat nicht nur das Ensemble, sondern auch das Publikum eher weg- als zugeweht.

Deutliches Zeichen für das Unverständnis gegenüber dem Publikum ist die Unterforderung durch das Kinderstück aus der Feder von Sascha Löschner nach einem alten Comic, das dem Sommerpublikum gerade zugemutet wird, und dessen Fortsetzung bereits angedroht wurde - unter Verlust jedweden Realitätssinnes.

Dies bliebe im Rahmen der Konflikte in einem Theater unter besonderer Berücksichtigung der Besonderheiten in Greifswald die Provinzposse, die sie ist, gäbe es nicht gerade die große Gefahr, die dem Theater aus Schwerin droht. Eigentlich können wir es uns im Moment gar nicht leisten, uns in eine Intendanten-Diskussion zu verzetteln. Vielmehr müssen wir alle, wenn es geht: geschlossen, hinter unserem Theater stehen und es lauthals verteidigen. Denn was von Schwerin an "Diskussionsvorlage" geliefert worden ist, das Metrum-Gutachten zum Staatstheater im östlichen Landesteil, bedeutet das Ende qualitätvollen Theaters in dieser Region.

Dagegen müssen wir uns wehren. Die Intendantenfrage ist demgegenüber geradezu zweitrangig...

Das scheinen auch die Gesellschafter so zu sehen. Wie man dem heutigen OZ-Artikel entnehmen kann, geht die Geheimniskrämerei, der verkrampfte Umgang mit Öffentlichkeit und die Entscheidung in abgedunkelten, fest verschlossenen Hinterzimmern weiter. Heute tagen die Gesellschafter des Theaters, einziger Tagesordnungpunkt (vermutlich): die Empfehlung des Aufsichtsrates, aus dem Vertrag mit dem Intendanten 2015 auszusteigen.

Nach Angaben von Badrow sei noch nicht abschließend festgelegt worden, ob diese Entscheidung im Anschluss an die Sitzung öffentlich gemacht wird.

Also misslungenes Krisenmanagement wie bisher. Glauben diese Menschen wirklich, dass der Beschluss nicht krawalljournalistisch breit in die Zeitung kommt? Haben sie noch nicht kapiert, dass gerade die Nichtöffentlichkeit der Grund dafür ist, dass wir die jetzige miese Situation haben? Noch immer sehen Gesellschafter und ähnliche Gremien ihr Heil in der Nichtöffentlichkeit - was wiederum jedweder Erfahrung widerspricht. Erstens bedeutet es für einzelne "Geheimnisträger" die Möglichkeit, aus individuellen politischen Gründen mit der "Ware" hausieren zu gehen (gerade musste ein designierter Bürgerschaftspräsident die Rechnung für dergleichen Verhalten bezahlen). Zweitens wird die Politikverdrossenheit gefördert, wenn hinter verschlossenen Türen Entscheidungen gefällt werden, die dann noch nicht einmal bekannt gegeben werden. So saugen wir die Nazis in die Gremien.

Gelungenes Krisenmanagement sieht anders aus. Ziel eines solchen muss sein, dass wir alle hinter unserem Theater stehen - egal, wer gerade die Intendanz innehat...