Greifswald wird bunt

Gestern versammelte sich die neue Greifswalder Bürgerschaft zur konstituierenden Sitzung.* Wie angekündigt blieb es nicht bei den bisherigen "demokratischen Gepflogenheiten", Egbert Liskow (CDU) zum Bürgerschaftspräsidenten zu wählen - wir wollen nicht vergessen, dass er im Rahmen des Skandals um die Sanierung der Alten Post zum Technischen Rathaus seine Bürgerschaft unscharf informiert hat (um es einmal sehr, sehr vorsichtig auszudrücken...), dass er aus nichtöffenlichen Ausschüssen plaudert, dass er die neue Zählweise eingeführt hat: einstimmig bei fünf Enthaltungen usw. Insofern war es nicht ungewöhnlich, dass "seine" Bürgerschaft ihm die Gefolgschaft verweigerte.

Auch die stellvertretenden Mitglieder des Präsidiums kommen nicht aus der "stärksten Fraktion": der erste Stellvertreter, Prof. Wolfgang Joecks (SPD) gewann die Abstimmung um seinen Platz genau wie Dr. Antje Steveling von der Kompetenz für Vorpommern (KfV). Dass sich die CDU mit der AfD ("Mut zu Deutschland!") zusammen getan hat, nutzte nichts. Allerdings zeigten die Abstimmungen den Umfang des konservativen Lagers in der Bürgerschaft: 18 bzw. 19 Stimmen wurden jeweils für die CDU-Kandidaten abgegeben. Die Zählgemeinschaft aus CDU und AfD umfasst 13 Stimmen.

Quelle: greifswald.de

Die 24 bzw. 25 Stimmen der Nicht-CDU-Wähler reichten auch noch für einige Anträge zur Hauptsatzung (z. B. zur Herstellung der Öffentlichkeit der Sitzungen des Hauptausschusses), nicht aber mehr zur von Joecks geplanten Initiative, den 2. Beigeordneten Dembski (SPD) noch über die Kommunalwahlen, während derer König eine "Lame Duck" (Multhauf) und sein designierter Nachfolger, der jetzige erste Beigeordnete Jörg Hochheim, im Wahlkampf engagiert sei, als handlungsfähig mit Expertise, vor allem in der Theaterdiskussion, am Platz zu halten. Die Bürgerschaft beschloss auf dieser konstituierenden Sitzung bereits (und nicht erst im Herbst, wie von Joecks vorgeschlagen), dass es künftig nur noch eine Beigeordnete (m/w) geben solle. Auch nicht reichte die Gemeinsamkeit zur Durchsetzung einiger Ansätze der Grünen, die Gremien der Bürgerschaft weitgehender öffentlich zu machen.


Und noch an anderer Stelle zeigte sich die "Rache der Enterbten", in diesem Falle nicht nur der CDU, sondern auch der Grünen, die ja in diesem Jahr einen ziemlichen personellen Kompetenzabfluss zu verzeichnen hatten: Die Linke durfte keine zwei sachkundigen Einwohnenden, darunter Anne Wolf von der AL, in den Sozialausschuss schicken, vor allem CDU und Grüne lehnten sich dagegen auf (die Grünen hatten es Anne Wolf abgesprochen, Grün zu sein). Die Linke benannte darufhin Rita Duschek, Mitglied der Bürgerschaft, für den Ausschuss, und Anne Wolf als ihre Stellvertreterin. Thomas Meyer vom konservativen Lager mischte sich auch noch aktiv ein: Die Bürgerliste/FDP, die Fraktion mit den meisten "N. N." auf den Besetzungslisten, nominierte noch eilfertig einen sachkundigen Einwohner, damit auch nur ja die Linke mit ihrer Vorschlagsliste nicht durchkommt. Wie gesagt: Rache und kleinliche Nickelig der Enterbten. Dabei war es vor allem Thomas Meyer, der die Aufblähung der Ausschüsse von 12 auf 15 Mitglieder betrieben hat, damit seine Fraktion je zwei Leute in die Ausschüsse schicken kann. Offenbar hat die Fraktion aber nicht genug kompetente Menschen, die sie benennen könnte, daher die vielen "N. N." auf den Listen der Fraktion BL/FDP.

Weiter gab es keine Überraschungen - alle wollten um 22 Uhr vor dem Fernseher sitzen: schland.

Den Alterspräsidenten muss ich in Hinsicht auf die Bürgerschaft korrigieren. Er sagte, dass Greifswald weder grün noch schwarz sei, sondern bunt. Letzteres zu sein, muss die Bürgerschaft erst noch üben.



*An deren Beginn nutzte der Alterspräsident Peter Multhauf fast eine geschlagene Stunde lang die Möglichkeit, sich darzustellen (irgendwann habe ich aufgehört, für jedes "ich" einen Strich zu machen).

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