Es gibt noch Hoffnung

Es gibt noch Hoffnung für den Journalismus in Greifswald, und es gibt noch Hoffnung für die politische Kultur, ebenfalls hier in Greifswald.

Trotz der Einlassung der Society-Reporterin, die unhinterfragt und unkritisch populistische Vorgaben nachplappert, finden wir auch ruhige und ausgleichende Stimmen aus der Redaktion, die seit Anfang des Jahres von den Aufputschenden in Gestalt des Hochleistungsjournalisten und der Society-Reporterin beherrscht gewesen zu sein scheint. Vielleicht läuft deren Modell so langsam aus.

Die Entgleisung, die sich Axel Hochschild mit der Anprangerung und Denunziation von seinen Kolleg_innen (!) aus der Bürgerschaft schuldig gemacht hat, wurde heute morgen in der OZ zum Glück nicht von den Aufpeitschenden, sondern von Kai Lachmann kommentiert:
Immer wieder wird im Zuge der Arndt-Debatte laut über Gräben sinniert, die hier in der Bevölkerung entstanden seien. [...] Eine Versöhnung wäre laut Arndt-Befürwortern erst möglich, nimmt der Senat den Beschluss zurück. Zugespitzt: [...] Erst wenn alle eine Meinung haben (nämlich die eigene), ist alles gut? Der Ansatz klingt fatal.
"Fatal" ist noch milde ausgedrückt. Nicht nur die Entgleisung mit "fatalem" Crash von Axel Hochschild, sondern auch die Mitlaufenden sowohl auf dem Markt wie auf der Bühne haben sich derselben Entgleisung bedient.

Es besteht Einigkeit darüber, dass der Nationalsozialismus wesentlich u. a. davon gelebt  hat, dass die Deutschen mitgemacht haben. Ohne dieses Mitmachen wären die Nazis nicht so erfolgreich gewesen.

Am Samstag, als auf dem Markt Bürgerschaftsmitglieder dem Gejohle, dem Gespött, dem Gepfeife und dem Hass durch Verlesen einer Namensliste ausgesetzt wurden, hat z. B. einer, der ebenfalls Bürgerschaftsmitglied ist, Peter Multhauf nämlich, dieselbe Bühne und dasselbe Mikrophon benutzt. Damit hat er sich mit Denunziation, Diffamierung und Methoden, die denen der braunen Zeit verdammt ähnlich sehen, einverstanden erklärt. Er hat der Denunziation und Diffamierung nicht widersprochen, sondern sie offenbar wohlwollend in Kauf genommen, statt die Veranstaltung sofort unter Protest zu verlassen. Es wird ihm unter die Nase zu reiben sein, wenn er sich mal wieder auf einschlägigen Veranstaltungen als Muster-Antifa präsentiert.

Es ist kein legalistisches Problem, sondern eines von Anstand, von Erziehung, von Stil. Alles dieses lassen Axel Hochschild und diejenigen, die ihm schweigend zustimmen, vermissen.
Das darf er machen, wir leben in einer Demokratie, haben Meinungsfreiheit und die Abstimmung war namentlich, sodass es kein Geheimnis ist, wer der CDU die Folgschaft verweigerte. Aber: Was ist denn das für ein Stil? Sich einerseits über Gräben auslassen, andererseits fleißig mitschaufeln – das kann doch nicht der Ernst sein.
Danke für dieses Fünkchen Hoffnung zugunsten der Greifswalder Lokalredaktion der leider konkurrenzlosen OZ!

Das zweite Fünkchen Hoffnung betrifft die Menschen, die bisher völlig erstaunt und perplex über die unmögliche Art der Arndt-Namensbefürworter zu "argumentieren" ebenfalls in Schweigen verfallen sind - ein Schweigen nicht der Mitläufer, sondern anderer Art, z. B. der Schachspielenden: "Mit dummen Menschen zu streiten, ist, wie mit einer Taube Schach zu spielen. Egal, wie gut du spielst, die Taube wird alle Figuren umwerfen, auf das Brett kacken und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen." Die Art der "Argumentation" der Arndt-Namensbefürworter machte die Befürworter der Namensablegung (leider) sprachlos und reaktionsgehemmt.
Langsam wird es, zum Glück, anders, und das ist das zweite Fünkchen Hoffnung, das mir die Lektüre der heutigen OZ bescherte. Zwei Leserbriefe sind abgedruckt, die hier in Auszügen wiedergeben werden:
Was sich jedoch am letzten Samstag auf einer Kundgebung ereignete, enttäuscht mich zutiefst: die öffentliche Verlesung von Bürgerschaftsmitgliedern auf dem Marktplatz, die sich in einer ebenfalls öffentlichen Abstimmung nicht der Sache des Kundgebungsredners angeschlossen hatten, und die johlende Menge, die jeden dieser Namen mit Schmährufen quittierte. Alle Menschen mit Anstand, Achtung vor Anderen und Geschichtsbewusstsein sollten ahnen, was es heißt, wenn Namen wie an einem öffentlichen Pranger vor johlender Menge verlesen werden. Zudem muss ich sagen, dass ich von allen Rednern und Künstlern, die dieser Hetze ihr Gesicht und ihre Stimme geliehen haben, tief enttäuscht bin
schreibt ein Leser. Und ein anderer:
Es wird Zeit, dass sich die Vernünftigen in Greifswald schütteln und zu Wort melden. Die Krakeelenden haben die Szene lange genug beherrscht und Mehrheiten durch Lautstärke vorgespiegelt.